Dienstag, 10. Dezember 2013

Noch kein Feierabend in der Welt

In der Abenddämmerung lief mir auf einer viel befahrenen Straße eine sehr alte, klapprige, weißhaarige Frau in schwarzer Hose, Hausschuhen und einem roten Pulli entgegen. Die temperaturen lagen um die null Grad - deutlich zu kalt für einen Spaziergang auf der vielbefahrenen Umgehungsstraße der Kleinsatdt, zu dunkel die Dämmerung, um nichts zu tun.
Sie war leicht zu übersehen, weswegen ich kehrt machte, um sie irgendwo hin zu bringen. Wohin, war mir nicht klar, vielleicht nur ins warme Auto, zur Polizei - nur weg aus dem reißenden Strom des Feierabendverkehrs, in dem sie unterzugehen schien. Nach einer Minute hatte ich gewendet und fuhr, ein plapperndes Kind auf der Rückbank, die 400 Meter zurück, der Verkehr staute sich und ich befürchtete das Schlimmste. Ungeduldig hielt ich die Minuten aus, das plappernde Kind, dessen Reitszunde anbrach im Ohr und auf dem Rücksitz.
Als ich an die Stelle kam, an der ich die alte Dame vermutete, sah ich, dass es nicht stimmt, was landläufig gesagt wird. Vielleicht liegt es auch Weihnachten... aber es hatten zwei Autos gehalten, ein drittes stoppte auf der anderen Straßenseite. Ein Mann und eine Frau kümmerten sich um die alte Dame, stützten sie, legten ihr eine Jacke um, während eine Frau aus einem anderen Auto telefonierte. Die Situation war ruhig, fast schon geborgen alles im Abendrot unter dem Himmel mit dem aufgehenden Mond und dem glitzernden Abendstern. Um sie herum spielten kleine Kinder, die ich fragte, ob sie sich gerade um die alte Frau kümmerten. "Klar!", antwortete ein etwa zehnjähriger Junge, während seine kleine, vielleicht dreijährige Schwester an seinem Hosenbein zupfte. Selten habe ich so viel Wärme im Winter gefühlt und bin so zufrieden im verstopften Feierabendverkehr gefahren. Vielleicht tut sich doch was in der Welt. Ich hoffe es. Klar!