Freitag, 5. Dezember 2014

Exkurs in ein anderes Leben: Weihnachten im Buchladen

Ja, die Menschen.... sie halten sich nicht einmal an Weihnachten zurück....aber immerhin VERSUCHEN sie, sich zu bilden!

Weihnachten - oder das Wunder einer Massenhypnose (1) :
- "Ich hätte gerne ein Buch. Leider hab ich den Titel vergessen und den Autorennamen auch. Aber der Autor schreibt so über das Leben allgemein!"
- "Ich brauche ein Kochbuch für meine Enkelin, die isst kein Fleisch. Nur Hühnchen und Frikadellen!"...
- "Haben Sie was Humorvolles über Bluthochdruck?"
- "Wo ist denn das Neue Buch von diesem Hape Carpendale?"

Weihnachten - oder das Wunder einer Massenhypnose (Teil 2):
- "Guten Tag, ich hätte gern einen Dudel!" Kleiner Junge stupst Papa empört an: "Das heißt Duden!"
- "Wieso ist denn der Koran so günstig? Ist der etwa noch auf hebräisch?"
- Mädchen blättert in einem Jahrgangsbuch von 1949 und sinniert: "1949...da war doch die französische Revolution, wenn ich mich nicht irre!"
Mutter (schaut begeistert auf ihre Tochter): "Was Du alles weißt!!!"



Mit liebem Dank an S. Schmidt, die uns Einblicke in das adventliche Vor-Weihnachtsleben einer Buchhändlerin gewährt. Mich persönlich interessieren dann auch sehr die Umtauschgespräche zwischen dem 27.12. und de. 31.01.2014

Donnerstag, 4. Dezember 2014

Gebrochen

Das Atmen fiel schwer. Selbst das Atmen fiel schwer in dieser Familie. Nichts konnte einfach nur leicht sein. Leicht. Schwerelos. Fröhlichkeit, lachende Kinder, ausgelassenes Spiel - all das hatte Tim nie kennengelernt. Tim lebte in einem ihm unbekannten Land zwischen Menschen, denen das Lachen aus dem Gesicht quoll. Warum konnten all diese Menschen lachen? Und weinen?  Er konnte nichts verstehen. Seit sie wegen der Universität hierher gekommen waren, seit er in diesem seltsamen Land gestrandet war, in dem es nur noch die Uni gab, war für Lachen und Weinen kein Platz mehr.

Er fragte sich, warum es sie gab. Seine Eltern zu fragen, wagte er nicht. Er fürchtete, die Antwort, wenn es überhaupt eine gab, würde schmerzen. Oder, wenn sie anders ausfallen sollte, als er erwartete, würde das kurze Glücksgefühl, das er sich erhoffte, so zerbrechlich sein, dass er es besser nicht kennengelernt haben wollte. Eigentlich hatte er immer Angst. Und dann fiel ihm das Atmen schwer. Zu weinen wagte er nicht, denn es brachte in der Regel Verachtung mit sich.
Manchmal, wenn er eigentlich weinen wollte, spielte er das Frage-und-Antwort-Spiel. "Welche Farbe macht rot und gelb? - Orange!" --- "Wo geht die Sonne auf? Im Osten!".... wenn er sich genug Fragen gestellt hatte, konnte er das Weinen vergessen.

Es begann, als er klein war. An einem Tag, als er krank war. Sein Vater schrieb gerade eine wichtige Arbeit. Stören war nicht gut. Wenn man ihn störte, konnte er sehr böse werden. Vielleicht vier war er. Vielleicht fünf. Erinnern tat weh. Er hatte gebrochen. In einem Moment, in dem, wie er später lernte, Eltern normalerweise besorgt sind, einen feuchten Waschlappen holen, die Stirn tupfen, eine Wärmflasche und Kamillentee bereiten. Es war ein solcher Moment, in dem er zum ersten Mal gespürt hatte, dass er allein war. Und dass er nicht weinen sollte.
Sein Vater warf ihm einen Lumpen hin. Seine Mutter schrie ihn an: "Du bringst mich ins Grab!" und presste ihm eine Tablette in den Mund.
Sein Bruder sah ihn mit unbewegtem Blick an. Reglos. Er stand da einfach nur. Es war nicht einmal Hass.
Tim liefen leise Tränen in die Mundwinkel. Was seinem Vater eine Äußerung abrang: "Du Schwächling!"
An diesem Abend schlief Tim schlecht und nahm sich vor, nicht mehr zu weinen.
"Wie weit ist der Mond von der Erde entfernt? 384.401 km"

Der Knochen war gebrochen. Es war der Kiefer. Falscher Moment - gestört. Die Habilitation. Wegen der Professur. Es ging um Bewegung, irgendwie darum, wie der menschliche Körper so funktioniert. Er hätte nicht fragen sollen, ob sein Vater ihm helfen kann bei dem Vortrag des kleinen Jungen in der fünften Klasse über Fledermäuse. Vielleicht waren es auch andere Tiere. Jedenfalls war der Zeitpunkt schlecht gewesen, das hatte Tim begriffen. Er würde vom Fahrrad gefallen sein.
Die Fragen änderten sich: "Wie viel Druck können menschliche Zähne verursachen? 101 Kilo Druck."
Tim lernte viel - je mehr Fragen er sich stellte, umso mehr Antworten fand er.

Einmal hörte er, wie sich Lehrer unterhielten. Über seinen Bruder, der gerade einen Jungen verprügelt hatte. "Was erwartest Du von solch einem Kind? Seine Seele wurde gebrochen... wer will sie dafür verantwortlich machen?" Sie wussten es also. Er war wirklich allein. Als sich die Tränen nach oben kämpften, fragte er sich, woraus die Seele bestünde. Die Antwort ließ auf sich warten.

Tim wurde gut. Er wusste, dass es sinnlos war, seinem Vater zu erzählen, dass er für den Schüler-Forschungs-Preis nominiert worden war. Er würde ihn fragen, wieso, ob er sich da irgendwas im Internet zusammengesucht hätte. So ein Blödsinn, einmal ein bißchen Aufmerksamkeit, was? Naja, Du, Weichei, warum nicht. Ein echter Mann wird aus Dir ohnehin nicht mehr. Er lief an ihm vorbei, stieß ihn. Wie tief kann man fallen, hm, Du Spinner? Da, schau die Kellertreppe runter, wie tief kann man fallen?

Sein Physiklehrer war überzeugt von ihm - aber von der Professur war er noch zu weit entfernt, um gesehen zu werden.
Tim wurde sehr gut. Sein Bruder hatte das Haus längst verlassen. Und er war alleine. Gebrochen. Die Tränen stiegen nicht mehr auf - es war sinnlos nach all den Jahren. Es war nicht mehr weit bis zum Abitur, zum Studium. Aber weit genug. Und dann erst bis zur Professur.
Ausbrechen.
Dann, es war ein Tag im Oktober. Das Atmen fiel ihm schwer. Du? Du bist ein Nichts, Tim. Niemand. Er fiel einfach. Er fiel tief. Und er fragte sich, wie es sein konnte, dass ein Mensch in ein und demselben Augenblick lachen und weinen konnte.

Die Kurzgeschichte "Gebrochen" unterliegt dem Copyright der Inhaberin des Blogs "Geschichten die das Leben schrieb" und darf nicht vervielfältigt werden.
Jedwede Ähnlichkeit mit realen Personen ist unbeabsichtigt und höchstens Zufall. Die Geschichte erfüllt alle wesentlichen Kriterien moderner Kurzprosa und dient der Vorbereitung auf das baden-württembergische Abitur 2015/2016.

 

Gewerkschaftsarbeit oder: GEW, ade!

Nach langem Überlegen beim gestrigen Mittagessen:
"Ich glaube, ich trete aus der GEW aus!"
Mutter: "Bist Du verrückt?"
Tante: "Du spinnst doch!"
Ich: "Leute, Mensch, was ist denn jetzt los? Ich bin erwachsen, ich habe meine Gründe - wollte Ihr mich jetzt enterben, mir das Mittagessen mit Euch verbieten - was ist denn los?!"
Onkel: "Du warst immer schon latent rechts! Als nächstes wählst Du noch CDU und trittst in den Philologenverband ein?!"
Ich: "Das mit dem Philologenverband überlege ich ehrlich....!"
Onkel: "Ich sage es ja, Du warst ja schon immer latent rechts!"
SCHWEIGEN....
Mutter: "Andererseits.... ich bin auch ausgetreten....ABER ICH HATTE GRÜNDE!"
Tante: "Ich auch!"
Onkel: "Ich war nie drin!"
Ich: "AHA! SEHT IHR! Ich habe AUCH Gründe!"
Tante (und Mutter): "DU hast MICH aber noch nicht nach MEINEM gefragt!"
Onkel: schweigt. "Aber dass Du dann gleich so EXTRTEM sein musst und bei den Philologen eintreten *tsts*......"
Schweigen. Was soll man DAZU noch sagen?